Achtung Tabubruch! Die Sorgen und Ängste im Vertrieb

Psst! Darüber spricht man eigentlich nicht. Sorgen und Ängste von Verkäufern? Pah! Was soll das denn jetzt schon wieder? Wird das jetzt so ein Mimimi-Beitrag?

Im Verkauf und Vertrieb sind doch ausschließlich starke Persönlichkeiten tätig. Menschen, die sich ihrer eigenen Wirkung auf ihre Umwelt sehr bewusst sind und diese gezielt einsetzen. Die genau wissen, wann man was machen muss und vor allem, wie man über ausgeklügelte Kommunikation die eigenen Ziele erreicht.

Die Ellbogenmentalität ist doch im Vertrieb quasi erfunden worden. Der Stärkere, Clevere oder Schnellere gewinnt. Und auf der Strecke bleiben die, denen das notwendige Durchsetzungsvermögen fehlt. Wer mit dem Druck nicht umgehen kann, der muss sich halt eine andere Position suchen. Sorgen und Ängste haben im Vertrieb und Verkauf nichts verloren.

Diese und ähnliche Einschätzungen höre ich immer wieder, wenn ich bei Unternehmen unterwegs bin. Und tatsächlich geht die landläufige Meinung exakt in diese Richtung. Schwäche zeigen ist verboten!

Da ich aber viele Unternehmen, deren Vertriebsführungskräfte sowie die Verkäuferinnen und Verkäufer häufig über längere Zeiträume begleite und in unzähligen Gesprächen und Coachings auch die andere Seite sehr tief kennenlernen durfte, wage ich mit diesem Beitrag den Tabubruch.

Wer in Vertrieb und Verkauf unterwegs ist, der hat oftmals auch Ängste, ist verunsichert oder hadert mit sich, seinem Job oder was auch immer.

Ein Thema vereint nahezu alle, die in irgendeiner Weise mit Verkauf zu tun haben. Die manchmal real existierende, meist aber auch nur subtil vorhandene nackte Existenzangst. Werde ich auf Dauer erfolgreich sein? Was, wenn sich die Markt- oder Branchensituation verschlechtert? Kann ich auf Dauer den permanenten Druck aushalten?

Diese Fragen höre ich immer wieder und habe tatsächlich nicht immer die passende Antwort darauf.

Bei den vielen Gemeinsamkeiten über alle Unternehmensgrößen, Branchen und Regionen hinweg, gibt es aber auch ganz unterschiedliche Sorgen und Ängste.

In größeren Unternehmen spüre ich meistens, dass die Verkäufer, als Teil einer Vertriebsorganisation mit vielen Kolleginnen und Kollegen, das Gefühl haben, eine Nummer zu sein. Man wird nicht als Mensch gesehen sondern als jederzeit austauschbares Mosaiksteinchen. Der permanente Vergleich mit den Kollegen, die zum Teil nur vorgegebenen und nicht gemeinsam vereinbarten Ziele und der hohe administrative Aufwand lähmen eher, als dass sie motivieren.

Dazu kommt, dass in Großbetrieben und Konzerngesellschaften jedes halbe Jahr eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird. Ständige Veränderungen sowie neue Ideen und Vorgaben verhindern häufig, dass die Verkäufer kontinuierlich ihren Job machen können.

In kleinen und mittelständischen Unternehmen sind es meistens ganz andere Themen, die verunsichern. Hier fehlen häufig die erforderlichen Strategien und Strukturen. Vieles ist von den jeweiligen Chefs abhängig, die teils patriarchisch, teils aber auch laissez-faire führen. Viele Verkäufer werden dadurch in ihrer täglichen Arbeit behindert, dass es keine klare Linie gibt. Heute so, morgen anders herum und übermorgen versuchen wir noch etwas ganz neues.

Auch wenn es nach außen anders dargestellt wird. Der Vertrieb ist in KMU’s oftmals der Prügelknabe in der unbeliebten Sandwichposition. Laufen die Geschäfte nicht gut, dann ist der Vertrieb schuld – läuft es gut, dann trotz des Vertriebes.

Hier berichten mir die Verkäufer häufig davon, dass sie gerne eigenständiger arbeiten würden, mit mehr Struktur und einer klaren Linie. Was ist, wenn ich nicht dauerhaft so funktioniere, wie der Chef es erwartet? Warum werde ich für alles verantwortlich gemacht, obwohl ich teilweise überhaupt keinen Einfluss darauf habe? Das sind Themen, über die Verkäufer in KMU’s sich Sorgen machen, die sie aber kaum anzusprechen wagen.

Und dann kommt dazu noch die große Gruppe der Unternehmen, bei denen der Inhaber oder Geschäftsführer praktisch der einzige Verkäufer ist. Produzierende Unternehmen mit 20, 40 oder auch 100 Mitarbeitern oder auch Dienstleister im IT-, Engineering oder Consulting-Umfeld, mit extrem schlanken Strukturen und oftmals keiner eindeutigen Aufgaben- und Verantwortungsverteilung.

Hier läuft der Vertrieb meistens intuitiv. Man macht das, was irgendwann und über einen längeren Zeitraum ganz ordentlich funktioniert hat. Aber genau diese Abhängigkeit von den handelnden Personen – meist den Chefs – ist das größte Risiko. Was, wenn der Chef morgen nicht mehr da ist? Die Zeiten verändern sich, auch der Vertrieb wird digitaler. Wie läuft der Vertrieb in Zukunft? Wie erreichen wir unsere Wunschkunden, wo sich doch die Ansprechpartner bei den Kunden ständig verändern und verjüngen? Wie schafft man es, in einem kleinen Unternehmen einen schlagkräftigen und von der Unternehmensleitung weitgehend unabhängigen Vertrieb aufzubauen, ohne die Fixkosten in astronomische Höhen zu treiben?

Das sind die Ängste und Nöte, von denen mir Inhaber und Geschäftsführer mit Vertriebsverantwortung berichten und auch hier, gibt es keine allgemeingültigen und schellen Antworten.

Selbstverständlich maße ich mir nicht an, für all die geschilderten Situationen und auf alle Fragen eine passende Antwort zu haben. Fest steht aber, dass es sehr viel Sinn macht, sich diesen Fragen zu stellen. Auf Zeit spielen ist in der Regel nicht die beste Strategie. Besser ist es, wie auch im privaten und sozialen Kontext, Sorgen und Nöte proaktiv anzupacken, ehe daraus echte Probleme werden, die gesundheitsgefährdend für die Unternehmen und die Menschen werden können.

Manches wird sich als unbegründet, manches als überzogen und manches auch als reale und begründete Sorge herausstellen. Verdrängen macht die Ängste größer, anpacken und handeln schafft Klarheit und führt zu Lösungen.

Also. Nehmen Sie die Unterstützung von externen Profis – Trainern, Beratern und Coaches – in Anspruch und packen Sie den Stier bei den Hörnern. Die Investitionen werden sich mehrfach rechnen!

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Holger Steitz ist Trainer, Berater, Coach und Autor für Vertrieb und Kundengewinnung, Social-Selling, Führung und Verhandlungstechniken im B2B-Umfeld und der Kopf von SALE DIRECT. Er trainiert und coacht Führungskräfte und Mitarbeiter im Vertrieb und unterstützt mit seiner SALE DIRECT GmbH B2B-Unternehmen bei der Entwicklung und Optimierung von Vertriebsstrategien und bei der Umsetzung von Konzepten zur Neukundengewinnung für erklärungsbedürftige Produkte und Dienstleistungen.

Im letzten Jahr ist im WILEY-Verlag sein neues Buch “Mach endlich Deinen Job” erschienen.  Darin geht es um Zeitverschwendung, falsche Routinen und faule Ausreden im Vertrieb, aber natürlich auch um Auswege aus diesem Dilemma sowie die richtigen und zielführenden Maßnahmen für erfolgreichen und zeitgemäßen B2B-Vertrieb. Hier gibt es die kostenlose Leseprobe.

Das aktuelle E-Book von Holger Steitz, “Die ungefähr sieben ultimativen Tipps, um im Vertrieb zu scheitern” können Sie hier kostenlos downloaden.