Vertriebstraining bringt nichts!

Wahrscheinlich denken Sie jetzt, dass ich so langsam nicht mehr alle Latten am Zaun habe.

Verdiene mein Geld mit Training und Beratung und schreibe einen Artikel, mit diesem Titel.

Nun, Sie können sich vermutlich vorstellen, dass der reißerische Aufhänger dieses Beitrags vorwiegend provozieren und zum Nachdenken anregen soll.

Aber warum schreibe ich das? Weil ich in den letzten Monaten im Rahmen von vielen Gesprächen mit Kunden, Trainingsteilnehmern und Kollegen so viele Dinge gehört habe, die mich mal wütend und mal nachdenklich gemacht haben, bei denen ich manchmal aber auch laut aufgelacht habe. Diese Punkte möchte ich hier kurz thematisieren, um damit vielleicht mit der einen oder anderen Fehleinschätzung oder einem hartnäckigen Vorurteil aufzuräumen.

Bei unserem Vertriebsteam geht das nicht

Bei einem Akquisetelefonat konfrontierte ein Geschäftsführer eine meiner Mitarbeiterinnen mit der Aussage, dass bei ihm ein Inhouse-Seminar nicht möglich wäre, weil die Verkaufsmannschaft zu heterogen sei. Insgesamt fast zwanzig Verkäufer, die meisten alte Hasen, ein paar Neulinge von Extern und jede Menge Einsteiger im Vertrieb. „Ich habe schon mal über Training nachgedacht, aber für ein sinnvolles Konzept bräuchten wir ein Vermögen“, war die Aussage des Firmenchefs.

Sicherlich macht es Sinn, die methodischen Ansätze sowie die Themen der jeweiligen Zielgruppe anzupassen. Demzufolge muss man sich überlegen, welche Form von Weiterbildung in Frage kommt. Eine Schulung, bei der es eher um die Wissensvermittlung geht, ein Seminar, bei dem die Erweiterung des vorhandenen Wissens im Vordergrund steht oder ein Training, um bestimmte Verhaltensweisen zu verändern und zu vertiefen.

Je nach Gruppengröße, thematischen Schwerpunkten und Zielsetzungen gilt es, mit einem erfahrenen Trainer den am besten geeigneten Ansatz zu finden und diesen in ein individuelles Konzept zu fassen. Ob man die Gruppen dann mischt – wofür ich im Zweifelsfall plädiere – oder ob man getrennte Gruppen schult und trainiert, sollte man von Fall zu Fall entscheiden.

Unsere Produkte oder unsere Branche sind zu speziell

Immer wieder höre ich, dass Unternehmen, Produkte und Lösungen oder sogar ganze Branchen ganz speziell sind und daher ein Vertriebstraining nicht möglich oder Geldverschwendung wäre. Warum eigentlich?

Ich bin seit fast dreißig Jahren im Vertrieb unterwegs und davon 15 Jahre als Trainer und Berater. Natürlich hat jedes Unternehmen und jede Branche bzw. Zielgruppe ein paar Besonderheiten und einige Produkte und Lösungen sind in der Tat sehr speziell. Einen Vertriebsprozess gibt es aber überall und der unterscheidet sich meist nur in Nuancen.

Umso mehr macht es Sinn, in Workshops und Seminaren Best-Practice Ansätze aufzugreifen, um neue Impulse und Ideen einzubringen. Hier habe ich schon so manchen Aha-Effekt erlebt.

Weiterbildung, Seminare und Trainingsmaßnahmen sind in jedem Unternehmen und für jeden Vertriebsmitarbeiter sinnvoll und bringen nachhaltigen Mehrwert für alle Beteiligten.

Und übrigens. Der Trainer muss nicht zwangsläufig Branchenerfahrung haben. Auch hier bringt es einen zusätzlichen Nutzen, wenn der Trainer nicht unbedingt schon in der Branche gearbeitet hat. Erforderlich ist lediglich die Erfahrung im Business-to-Business- Vertrieb bzw. im Consumer-Sales.

Praktische Übungen im Vertriebstraining sind sinnlos

Egal, was man tut, zu jeder Weiterbildungsmaßnahme im Vertrieb gehören praktische Übungen.

Einzel- und Gruppenarbeit sind ziemlich beliebt. Rollenspiele fürchten die meisten Verkäufer aber wie der Teufel das Weihwasser. Warum eigentlich?

„Das hat mit der Praxis nicht viel zu tun“ oder „ich bin doch kein Schauspieler“, höre ich oft von Verkäufern, wenn es darum geht, im Training Rollenspiele durchzuführen.

Feuerwehrmänner, Chirurgen, Notfall-Sanitäter und Piloten proben häufig und immer wieder den Ernstfall. Und das ist mehr als gut so!

Auch diese Berufsgruppen lieben die Simulationen nicht, denn hier werden sie mit schwierigen Situationen, Problemen und außergewöhnlichen Ereignissen konfrontiert und müssen dafür Lösungen finden.

Ich bin froh, wenn der Pilot, der mich mit dem Ferienflieger in der Urlaub bringt, weiß, was er zu tun hat, wenn beim Start, in der Luft oder bei der Landung eine unvorhergesehene Situation auftritt, weil er diese schon mehrmals im Flugsimulator durchgespielt hat.

Und genauso sollten auch Verkäufer im „Verkaufssimulator“ bereits durchlebte oder zu erwartende Situationen, anhand von Fallbeispielen aus der Praxis, durchspielen und die jeweiligen Gesprächssituationen immer und immer wieder trainieren.

Im kleinen Prinzen steht der wunderbare Satz, „Um hinzukommen, musst du schon mal da gewesen sein“.

Wer in Rollenspielen das Verhalten in schwierigen Preisverhandlungen oder die Bedarfsermittlung bei einem potentiellen Neukunden trainiert hat, tut sich später in der realen Kundensituation viel leichter, weil er auf bekannte und bewährte Techniken und Methoden zurückgreifen kann.

Ein souveräner und erfahrener Trainer wird Rollenspiele aus der Praxis zielführend einsetzen und dafür sorgen, dass niemand sich blamiert oder als gefühlter Verlierer dasteht, indem er den Widerstand entsprechend dosiert und für Erfolgserlebnisse sorgt.

Vertriebs- und Verkaufstrainings sind teuer und bringen nichts

Besonders in kleinen und mittelständischen Unternehmen hat man oft das Gefühl, dass Weiterbildungsmaßnahmen nur widerwillig umgesetzt werden. Häufig kommt der Druck dann aus dem Vertriebsteam selbst oder es gibt konkrete Dinge, die offensichtlich nicht (mehr) gut funktionieren. Hier kommen meist Themen, wie die Neukundengewinnung, Preisverhandlungs- und Abschlusstechniken oder – aktuell sehr gefragt – Gesprächsführung, Bedarfsermittlung sowie Themen, die sich rund um die Einstellung zum Verkäuferberuf drehen.

„Meine Verkäufer kommen alle aus der Technik und hatten noch nie eine Verkaufsschulung“, solche und ähnliche Aussagen höre ich ebenfalls recht häufig. Hier wird dann meistens ein Rundumschlag durch den B2B-Vertriebsprozess gewünscht, um zunächst einmal gewisse Basisthemen zu vermitteln und Wege zu erlernen, wie man die für viele neuartige Hilfsmittel, XING und LinkedIn, und deren Einsatz für den Vertrieb kennenzulernen.

Je nach Budget empfehle ich in diesen Fällen ein zweitägiges Basisseminar oder zunächst einen eintägigen Kickoff-Workshop, zur Ermittlung und Priorisierung des Schulungs- und Trainingsbedarfs.

Für Schulungs- und Trainingsmaßnahmen gilt selbstverständlich das Gleiche wie für viele anderen Bereiche – einmal ist keinmal. Daher sollte es nie bei einer einmaligen Aktion bleiben, die vielleicht nur als Alibi-Veranstaltung ausgelegt ist. Wiederholung und Auffrischung der Themen, nach dem Anwendungstest in der Praxis, bringt messbare Verbesserungen der Verkaufsleistung.

Am meisten Sinn macht natürlich die Entwicklung und Umsetzung eines individuellen Trainingsprogramms, mit festen Modulen, die aufeinander aufbauen und letztendlich alle erforderlichen Kompetenzen und Methoden beinhaltet. Dies scheitert jedoch gerade bei kleineren Unternehmen oftmals an den finanziellen Mitteln.

Der Invest für drei bis fünf Seminar- und Trainingstage im Jahr wird sich auf jeden Fall relativ schnell durch höhere Umsätze und Margen rechtfertigen.

Verkaufen kann man nicht lernen

Hartnäckig hält sich die Behauptung, dass man zu einem guten Verkäufer geboren sein und über das berühmte „Verkäufer-Gen“ verfügen muss, wenn man im Vertrieb erfolgreich sein will.

Meine Gegenfrage, ob man denn auch zum Bäcker, Metzger, Arzt oder Ingenieur geboren sein muss, hat mir bisher noch niemand beantworten können.

Natürlich schadet es nicht, wenn man mit einer gewissen Extrovertiertheit gesegnet ist, ein gutes Auftreten hat und sich dank überdurchschnittlicher rhetorischer Fähigkeiten gut ausdrücken kann.

Viel wichtiger ist es aber, dass man für die einzelnen Phasen des Vertriebsprozesses entsprechendes Methoden-Knowhow und die passenden Techniken parat hat. Dies kann man lernen und durch Training kontinuierlich verbessern. Logisch!

Viele Vertriebler werden aus anderen Funktionen in den Vertrieb „hineingesteckt“. In den Vorstellungsrunden zum Beginn einer Veranstaltung höre ich immer, dass die Verkäufer vorher Service-Techniker, Entwickler oder Monteure gewesen sind.

Man impliziert, dass man mit dem nötigen Fachwissen, was man aus der vorherigen Position ja hat, und der vierwöchigen Begleitung eines „alten Hasen“ mit allem versorgt ist, was man für den Verkauf im Innen- oder Außendienst braucht. Weit gefehlt!

Verkaufen, den zielführenden Prozess, wirksame Methoden und nachhaltiges mentales Rüstzeug kann man lernen und durch zeitgemäßes und kontinuierliches Training bis zur Perfektion verfeinern.

Fordern Sie als Vertriebsmitarbeiter eine individuelle, auf die jeweilige Situation zugeschnittene Weiterbildung und machen Sie als weitsichtiger Vertriebsleiter oder Geschäftsführer Ihre Vertriebsmannschaft mit einem sinnvollen und zielführenden Seminar- und Trainingskonzept zu einer perfekten  „Umsatzmaschine“. Es lohnt sich!


Holger Steitz ist Trainer, Berater, Redner und Autor für Vertrieb, Führung und Verhandlungstechniken im B2B-Umfeld und der Kopf von SALE DIRECT. Die SALE DIRECT GmbH unterstützt B2B-Unternehmen bei der Entwicklung und Optimierung von Vertriebsstrategien und bei der Umsetzung von Konzepten zur Neukundengewinnung für erklärungsbedürftige Produkte und Dienstleistungen.

Gerade erschienen ist sein neues E-Book “Die 3 1/2 Säulen der Vertriebserfolges”. Hier können Sie es kostenlos downloaden.

In dem im Haufe-Verlag erschienenen Fachbuch “Verkaufen ohne Tricks und Kniffe: Mit System zum B2B-Vertriebserfolg”, beschreibt Holger Steitz den kompletten Verkaufsprozess für Investitionsgüter und Dienstleistungen und gibt für alle Phasen Praxistipps für Einsteiger aber auch für Vertriebsverantwortliche in Unternehmen.

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