Keine Angst vor den “Lost-Boys”

Bei jedem Training und in jedem Workshop lenke ich die Aufmerksamkeit auf die Lost-Boys und ernte damit meistens zunächst ein mehr oder weniger deutlich gezeigtes Unbehagen.

„Das haben wir schon versucht, hat aber nichts gebracht“ oder „Da verbrennen wir uns nur die Finger“, sind Aussagen, die ich in diesem Zusammenhang schon gehört habe.

Wer mich kennt, weiß aber, dass ich bei diesem Thema nicht locker lasse. Denn Lost-Boys – also verlorene Kunden, die aus welchen Gründen auch immer, bis vor einiger Zeit gute Kunden waren, im letzten Jahr aber nicht mehr bei uns bestellt haben – bieten ein enormes Potential für Wachstum. Häufig sogar schneller und kostengünstiger als die oft langwierige und mit vielen Hürden gespickte Neukunden-Gewinnung. Was ist also zu tun?

Nun, zunächst einmal gilt es zu definieren, wen man als Lost-Boy bezeichnet. Üblicherweise sollte man als erstes einmal die Umsatzlisten der letzten zwei bis drei Jahre heranziehen und schauen, welche Kunden beispielsweise im Jahr 2018 noch bei uns gekauft haben, 2019 aber nicht mehr. Vielleicht geht man auch zwei oder sogar drei Jahre zurück.

Die gängigen CRM-Systeme bieten diese Auswertung standardmäßig an. Wer kein CRM im Einsatz hat oder dort, wo diese Funktionalität nicht gegeben ist, muss eben mit Excel gearbeitet werden.

Ja nach Anzahl der Kunden und Höhe der Umsätze, kann auch eine wertmäßige Grenze gezogen werden. Man könnte zum Beispiel festlegen, dass man sich nur die Kunden ansieht, die im Jahr 2018 mehr als zehntausend Euro Umsatz erzielt haben und in 2019 nichts mehr von uns gekauft haben.

Denkbar ist auch, Kunden als Lost-Boys zu definieren, die vom einen auf das nächste Jahr einen Umsatzrückgang von mehr als fünfzig Prozent verzeichnet haben.

Wie auch immer man Lost-Boys definiert, zuerst muss man wissen, wer diese Kunden überhaupt sind.

Bis hierhin gehen die Vertriebsleiter, Geschäftsführer und Vertriebsmitarbeiter in der Regel noch sehr entspannt mit. Unbehaglich wird es erst, wenn ich verlange, dass man nun all diese verlorenen Kunden persönlich ansprechen soll.

„Das bringt doch nichts“ oder „da treten wir nur ins Fettnäpfchen“, sind Aussagen, die ich von den Vertrieblern höre.

Selbstverständlich gab es in jedem einzelnen Fall Gründe, warum man von dem Kunden ab einem bestimmten Zeitpunkt keine oder weniger Aufträge bekommen hat.

  • Es gab eine oder mehrere Reklamationen hinsichtlich Qualität oder Lieferperformance.
  • Wettbewerber haben uns preislich unterboten.
  • Der bisherige Protegé hat das Unternehmen verlassen und der Nachfolger hat „seine“ eigenen Lieferanten mitgebracht.
  • Oder vielleicht wird das Produkt, in dem unsere Komponente eingebaut wurde, einfach nicht mehr hergestellt (End-of-Life).

Diese und viele andere Gründe können dafür verantwortlich sein, dass wir nicht mehr liefern. Sofern wir aber nicht gerade den millionenteuren Mega-Bock geschossen haben, interessieren uns diese Gründe im Rahmen einer Lost-Boys-Kampagne zunächst aber überhaupt nicht.

Es geht nämlich nicht um die Aufarbeitung der Vergangenheit, sondern ausschließlich um zukünftige Geschäfte. Punkt!

Was war ist vorbei und manch ein Verkäufer hat sich schon verwundert die Augen gerieben, als er merkte, wie schnell Gras über eine Sache wachsen kann. In einem Jahr kann viel passieren und sowohl technisch Verantwortliche als auch Einkäufer sind viel weniger nachtragend als man denkt. Häufig sitzen auch schon längst neue Personen auf den  Schlüsselpositionen, die gar nicht wissen, warum das Kunden-Lieferanten-Verhältnis überhaupt aufgekündigt wurde.

Ich empfehle hier eine ganz einfache und simple Vorgehensweise. Rufen Sie bei den Ansprechpartnern an und stellen Sie nur eine Frage:

„Was müssen wir tun, um wieder (mehr) Geschäfte mit Ihnen zu machen?“

Natürlich wird es den einen oder anderen Entscheider beim Kunden geben, der sofort auf die Lieferprobleme der Vergangenheit verweist und mancher Einkäufer wird sicher sofort die hohen Preise aus dem letzten Angebot thematisieren.

Darauf sollte man natürlich vorbereitet sein und auf Veränderungen und Entwicklungen im eigenen Haus hinweisen. Neue Produkte und Leistungen, verbesserte Liefer- und Zahlungsbedingungen, Konsignations-Lager, Qualifizierungsmaßnahmen bei den Mitarbeitern oder was auch immer.

Halten Sie ein „Goody“ bereit, verweisen Sie auf die jahrelange, erfolgreiche Zusammenarbeit und thematisieren Sie mögliche Probleme aus der Vergangenheit überhaupt nicht. Das einzige was zählt, sind zukünftige Geschäfte.

Sie werden erstaunt sein, wie viele der abgewanderten Kunden durchaus offen für einen Neuanfang sind.

Nutzen Sie die Chancen und die Potentiale, die in den Lost-Boys verborgen liegen und springen Sie über Ihren Schatten. Es lohnt sich.

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Holger Steitz ist Berater, Trainer, Coach und Autor für Vertrieb, Führung und Verhandlungstechniken im B2B-Umfeld und der Kopf von SALE DIRECT. Er trainiert Führungskräfte und Mitarbeiter im Vertrieb und unterstützt mit seiner SALE DIRECT GmbH B2B-Unternehmen bei der Entwicklung und Optimierung von Vertriebsstrategien und bei der Umsetzung von Konzepten zur Neukundengewinnung für erklärungsbedürftige Produkte und Dienstleistungen.

In dem im Haufe-Verlag erschienenen Fachbuch “Verkaufen ohne Tricks und Kniffe: Mit System zum B2B-Vertriebserfolg”, beschreibt Holger Steitz den kompletten Verkaufsprozess für Investitionsgüter und Dienstleistungen und gibt für alle Phasen Praxistipps für Einsteiger aber auch für Vertriebsverantwortliche in Unternehmen.

Sein aktuelles E-Book “Die 3 1/2 Säulen der Vertriebserfolges” können Sie hier kostenlos downloaden.

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